Kategorie: Aktuelles
21 befristete Verträge in knapp 5 Jahren
Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens des Sachgrundes zur Vertretung rechtsmissbräuchlich?
Ja, sagt das Arbeitsgericht Berlin in seinem Urteil vom 19. Juni 2014, Aktenzeichen 58 Ca 1060/14.
Auch wenn der Sachgrund der Vertretung nach § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vorliegt, ist nach der Rechtsprechung (zuletzt BAG Urt. v. 13.02.2013 – 7 AZR 225/11) zu prüfen, ob die Befristung missbräuchlich ist. Diese Prüfung erfolgt nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs. Es sind alle Umstände des Einzelfalls und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Anzahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreift.
Der Kläger wendete sich mit seiner Befristungskontrollklage gegen die Befristung seines letzten Arbeitsvertrags für die Zeit vom 23.12.2013 bis zum 03.01.2014. Der Kläger war für die beklagte Rundfunkanstalt in knapp 5 Jahren auf der Grundlage von 21 befristeten Verträgen, davon neun Verträge für freie Mitarbeit im Projekt „Digitalisierung der Archive“ und zwölf Arbeitsverträge zur Abwesenheitsvertretung, beschäftigt. Es wurden die Vorgaben des § 14 Abs. 2 TzBfG (maximale 2 Jahre Beschäftigungsdauer und 3 Verlängerungsmöglichkeiten) um ein Vielfaches und damit gravierend überschritten. Das Arbeitsgericht Berlin sah durch die vielfache Überschreitung den Rechtsmissbrauch indiziert, den die Beklagte nicht durch den Vortrag besonderer Umstände entkräften konnte.
Allein im Jahr 2013 wurden mit dem Kläger neben dem Abschluss eines freien Mitarbeitervertrags für die Zeit vom 01. März bis zum 31. Dezember 2013 insgesamt elf für kurze Zeit befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Da das Digitalisierungsprojekt unstreitig noch mindestens bis 2018 fortdauert, bestand bei der Beklagten für den Kläger auch bei Abschluss des letzten streitgegenständlichen Arbeitsvertrags zur Vertretung eines urlaubsbedingt abwesenden Stammarbeitnehmers in der Zeit vom 23.12.2013 bis zum 03.01.2014 über diesen Zeitraum hinaus Beschäftigungsbedarf.
Der fortdauernde Beschäftigungsbedarf der Beklagten wurde nach Ansicht des Arbeitsgerichts Berlin durch die Nutzung des Sachgrundes zur Vertretung aus § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG zwecks Abschluss befristeter Verträge verdeckt. Damit seien die Voraussetzungen des institutionelle Rechtsmissbrauchs gegeben, was dazu führt, dass die Beklagte sich nicht auf den Befristungsgrund der Vertretung berufen kann und der Entfristungsklage stattzugeben war.
Kassieren Sie als Arbeitnehmer bei der Fussball-WM keine gelbe oder rote Karte!
Auch während der WM bestehen die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen fort und Verstöße können zu einer Abmahnung oder Kündigung führen
Am 12. Juni 2014 beginnt die Fussball-Weltmeisterschaft. Damit Sie nicht ins Abseits laufen und Ihr Arbeitgeber Ihnen eine gelbe Karte (Abmahnung) oder rote Karte (Kündigung) erteilt, müssen Sie ein paar Regeln beachten.
Die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen bestehen während der WM fort, so dass Ihr Arbeitgeber Ihnen eine Abmahnung erteilen kann, wenn Sie unberechtigt der Spät- oder Nachtschicht fernbleiben oder vorzeitig Ihren Arbeitsplatz verlassen. Bleiben Sie trotz Zugangs der Abmahnung erneut bei einem der nächsten Spiele der Arbeit fern, kann Ihr Arbeitgeber Sie sogar kündigen.
Wenn Sie nach einem Spieltag am nächsten Tag verschlafen und deshalb zu spät zur Arbeit kommen, kann Ihr Arbeitgeber Sie ebenfalls abmahnen, da ein Arbeitszeitverstoß vorliegt. Im Wiederholungsfall kann Ihnen dann sogar gekündigt werden, da Sie dafür Sorge zu tragen haben, dass Sie rechtzeitig aufwachen und pünktlich Ihre Arbeit aufnehmen.
Der Alkoholkonsum während des Schauens der nächtlichen Spiele darf nicht dazu führen, dass Sie am nächsten Tag noch nachweisbar alkoholisiert bei der Arbeit erscheinen. Sind Sie aufgrund der Alkoholisierung nicht arbeitsfähig oder besteht die Gefahr, dass Sie bei der Arbeit sich selbst oder Andere gefährden, ist es Ihrem Arbeitgeber nicht zumutbar, Sie zu beschäftigen. Ihnen steht dann für diese Ausfallzeit kein Arbeitsentgelt zu und Ihr Arbeitgeber kann Ihnen die Gelbe Karte, im Wiederholungsfall die rote Karte zeigen.
Eine kurze Unterhaltung mit den Kollegen während der Arbeitszeit über das letzte Spiel muss der Arbeitgeber hingegen dulden. Eine Abmahnung wäre in diesem Fall nicht verhältnismäßig. Anders sieht es allerdings wieder aus, wenn sich an einem Tag solche Gespräche häufen.
Ich muss leider draußen bleiben!
Kann ein Arbeitgeber seiner Angestellten nach über drei Jahren untersagen, weiterhin ihren Hund mit ins Büro zu nehmen?
Ja, sagt das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 24. März 2014, Aktenzeichen 9 Sa 1207/13.
Arbeitgeber können im Rahmen ihres Direktionsrechts festlegen, unter welchen Bedingungen die Arbeit zu leisten ist. Hierzu gehört auch, ob und unter welchen Bedingungen ein Hund mit ins Büro gebracht werden darf. Ist das Mitbringen von Hunden grundsätzlich erlaubt, so kann der Arbeitgeber im Einzelfall dennoch untersagen, einen Hund mit zur Arbeit zu bringen, wenn dieser aufgrund seines aggressiven Verhaltens den Arbeitsablauf stört.
Die Klägerin ist in einer Werbeagentur beschäftigt, in welcher es grundsätzlich erlaubt ist, seinen Hund mit zur Arbeit zu nehmen. Nachdem die Klägerin den dreibeinigen Hund, den sie von der Tierhilfe aus Russland hatte, über drei Jahre mit ins Büro nehmen durfte, untersagte der Beklagte ihr dies, weil der Hund zutiefst traumatisiert sei und ein gefährliches soziales und territoriales Verhalten zeige. Der Hund knurre Kollegen der Klägerin an, die sich deshalb nicht mehr in deren Büro trauten. Die Klägerin beruft sich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung, da auch andere Kollegen ihre Hunde mitbringen dürften und das Tier keine Bedrohung für andere darstelle.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage ebenso wie zuvor schon das Arbeitsgericht Düsseldorf abgewiesen.
Die Beklagte durfte die zunächst ausgesprochene Erlaubnis widerrufen, weil es hierfür sachliche Gründe gab. Aufgrund der Beweisaufnahme steht fest, dass von dem Hund der Klägerin Störungen des Arbeitsablaufs ausgingen und andere Kollegen sich subjektiv bedroht und gestört fühlten. Da ein sachlicher Grund für die Änderung der bisherigen Praxis gegeben war, liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Kündigung durch den Insolvenzverwalter während der Elternzeit
Kann der Insolvenzverwalter eine Arbeitnehmerin in Elternzeit insolvenzbedingt vorzeitig kündigen, trotz ihm bekannter sozialversicherungsrechtlicher Nachteile für die Arbeitnehmerin?
Ja, sagt das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 27. Februar 2014, Aktenzeichen 6 AZR 301/12. Der Insolvenzverwalter muss den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht an den sich aus § 192 SGB V ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen ausrichten.
Trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers besteht das Arbeitsverhältnis zunächst fort. Der Insolvenzverwalter kann das Arbeitsverhältnis jedoch unter Beachtung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen kündigen. § 113 Satz 2 InsO sieht dafür eine Kündigungsfrist von höchstens drei Monaten vor, die allen längeren vertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen vorgeht. Als Ausgleich für die vorzeitige Beendigung gewährt § 113 Satz 3 InsO einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch.
Die Klägerin war im Versandhandel als Einkäuferin beschäftigt. Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde am 01. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte gemäß § 113 Satz 2 InsO das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 31. Mai 2010. Hätte er die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten, wäre das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2010 beendet worden.
Die Klägerin befand sich im Zeitpunkt der Kündigung in Elternzeit und sie verlor durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit, sich weiter beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenkasse zu versichern, was dem Insolvenzverwalter auch bekannt war.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni 2010 beendet worden ist. Sie vertritt die Auffassung, dass der Insolvenzverwalter rechtswidrig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, die Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO abzukürzen. Sie habe unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Artikel 6 GG Anspruch auf Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist.
Nachdem bereits die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hat auch die Revision der Klägerin keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht sieht in § 113 InsO eine in sich geschlossene Regelung, die im Einklang mit Artikel 6 GG steht und für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur einen Schadensersatzanspruch vorsieht.
Befristet beschäftigtes Betriebsratsmitglied
Schützt die Betriebsratsmitgliedschaft einen befristet Beschäftigten vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses?
Nein, sagt das Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Urteil vom 05. November 2013, Aktenzeichen 7 Sa 1007/13. Das formwirksam sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis (§ 14 Abs. 2, S. 1 TzBfG) endet auch dann mit Ablauf der Befristung, wenn der Arbeitnehmer zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählt wurde. Der Arbeitgeber kann sich allerdings auf die Befristung nicht berufen, wenn allein die Wahl in den Betriebsrat ausschlaggebend für die unterbliebene Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ist.
Die Beklagte hatte den Kläger, ebenso wie drei weitere Beschäftigte, zum 01.12.2010 befristet für zunächst wenige Monate eingestellt. Alle vier befristeten Verträge wurden in der Folgezeit verlängert, zuletzt am 08.05.2012 bis zum 30.11.2012. Mitte 2012 fand bei der Beklagten eine Wahlversammlung statt, in deren Verlauf der Kläger in den Wahlvorstand gewählt wurde. Bei den im September 2012 stattfindenden Betriebsratswahlen wurde er sodann auch in den Betriebsrat gewählt.
Die Beklagte übernahm zwei der am 01.12.2010 befristet eingestellten Arbeitnehmer in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Übernahme des Klägers und eines weiteren Arbeitnehmers lehnte sie hingegen ab.
Mit seiner Entfristungsklage machte der Kläger geltend, dass die Beklagte seine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nur wegen seines Engagements im Betriebsrat abgelehnt habe. Die Beklagte berief sich dagegen darauf, dass sie in den letzten Jahren immer nur die Hälfte der befristet eingestellten Arbeitnehmer in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen habe. Die Leistungen der zwei Mitbewerber seien höher einzuschätzen gewesen als die des Klägers.
Das Landesarbeitsgericht entschied, dass es der Beklagten wegen des Benachteiligungsverbots des § 78 Satz 2 BetrVG nicht verwehrt ist, sich gegenüber dem Kläger auf die unter dem 08.05.2012 vereinbarte (letzte) Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages zu berufen. Eine solche Benachteiligung ist hier nicht ersichtlich. Weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich, dass die Beklagte den Kläger wegen seiner Betriebsratstätigkeit benachteiligt hätte. Einziger Anhaltspunkt ist insoweit, dass sich der Kläger während des Laufs der Befristung für den Betriebsrat engagiert hat. Dieses eher schwache Indiz wird dadurch entwertet, dass die Beklagte nachgewiesen hat, dass sie seit 2009 immer nur die Hälfte der befristet Beschäftigten übernommen hat und auch hier so verfahren ist.